Jetzt gebe ich es mir richtig. Varanasi ist einzigartig an Erlebnissen und Chaos. Dazu kommt noch der viele Regen dieses Jahr in Februar, der aus Varanasis Gassen einen ekligen Schmierteppich macht, der sich aus Dreck mit gut verteilter Kuhscheisse zusammensetzt. Echt lecker, aber glücklicherweise kann man auf den Ghats gut laufen. Ich habe es aufgegeben, meine Socken zu wechseln und meine Crocs zu putzen. Glücklicherweise gibt es hier auch geschlossene Restaurants, so dass man bei Regen nicht immer im Zimmer rumhocken muss und musikalische Performances zum Bier und Essen genießen kann. Und wenn die Sonne rauskommt,muss man die Zeit sofort genießen!
Bin vor dem Shivaratri-Fest angekommen, hat noch alles gut geklappt, bevor die Stadt im inneren Bereich abgesperrt wurde wegen der vielen Pilger die anlässlich dieses Ereignisses nach Varanasi kommen.
Gestern Abend sind Massen jungen Männer über die Ghats gelaufen und haben ihren heiligen Run von 25 km (Panchkoschi) absolviert. Sie passierten diverse Tempel und laufen barfuß die ganze Nacht durch. Am Morgen danach erlebte ich die Rückkehr der müden Krieger, die sich durch die Gassen schleppten. Gestern Abend war es nicht ganz ungefährlich für Europäerinnen, die auf den Ghats liefen, denn die überflutende Ameisenstrasse ließ nicht viel Raum. Und in der Gruppe sind die Inder mutig und haben wohl einige Mädels betatscht.
Mein neues Wohnzimmer ist der Blue Lassi Shop! Wie einzigartig ist dieser Ort, wie einzigartig die ca. 50 Lassi-Sorten, wie einzigartig der Ausblick auf diese Durchgangsgasse zum Verbrennungsghat! Und glücklicherweise gehört zu dem kleinen Laden ein halbwegs geschlossener Bereich, in den man sich vor schlechtem Wetter flüchten kann – und wer vor lauter Gucken und Geniessen noch seine Emails abrufen will, auch das Wifi funktioniert.
Ich habe hier tolle Leute kennengelernt, andere wieder getroffen, ich sitze hier ca. 2-3 Stunden täglich, rede, scherze und glotze und der Shopkeeper kredenzt mir mittlerweile später auch noch einen kostenlosen Tee von nebenan. Denn hier gibts nur Lassis (aufgeschlagenes Joghurt mit diversen Früchten und Zutaten!)
Die 6 Totenträger rufen immer wenn sie kommen „ram nam shakte he“, was soviel wie „dein Geist kommt direkt ins Nirvana“ bedeutet. Und ich dachte immer so was wie „Achtung, Platz gemacht“ ! So kann man sich irren!
Trotzdem schmunzeln hier alle im Lassishop, wenn der Ruf ertönt, weil es irgendwie fröhlich klingt.
Bizarr, aber man wird in Varanasi irgendwie abgebrüht. Gut und Schlecht, Tod und brodelndes Leben liegen so nahe beieinander, man tänzelt mittlerweile leichtfüßig um Kuhfladen herum, stößt Kühe aus dem Weg, zieht sich den Schal über die Nase wegen dem verrottenden Müll und ißt dort in der Gasse was am Strassenstand. Dazu ein Joghurt und einen Chai an der nächsten Ecke. Dann pfügt wieder ein Motorrad durch die 1 m breite Gasse, die bereits völlig von Pilgern verstopft ist, niemand hält ein urchkommen für möglich, aber es geht. Man gibt Fotos ab zum Entwickeln, sitzt eine Stunde im Shop, weil der Besitzer mit einem über Seele, Menschlichkeit, und dem irrwitzigen Run aufs Geld philosophiert.
Man schimpft, man lacht, man traut seinen Augen kaum vor dem völlig Unglaublichen, was hier abläuft. Varanasi ist das Non-Plus-Ultra von Indien ! (Und ich kann nicht genug davon kriegen!!!)