Kalkutta

ein Relikt: Lauf-Rikschahs

Meine Ankunft war recht unproblematisch, die Immigration klappte schnell, nur blieb diesmal kein Zettel in meinem Paß zurück, wie sonst. Hm – ist das in Indien immer so?

Der ATM-Automat vor dem Airport stellte mich allerdings vor ein Rätsel (die sind auch in jedem Land etwas anders), aber auch dieses wurde mit Hilfe eines netten Inders gelöst und am Schluss hielt ich 10.000 Rs (ca. 150 €) in der Hand.

Mit dem prepaid-Taxi für 140 Rs. eine halbe Stunde bis zur Underground-Endhaltestelle und zack war ich für 6 Rs (!) mit der Metro bei meiner Haltestelle Chandni Chowk. Noch 2 x um die Ecke und höchst erfreut über mein Glück betrat ich das alte britische Hotel Broadway, gebaut 1937.

Zimmer im Broadwayhotel


Mit vielen Bediensteten im dunkelroten Livree. Die meisten sitzen auf den Fluren auf Stühlen und schlafen. Kommt man vorbei, schießen sie dienstbeflissen hoch, und ich muß sie dann wieder auf den Stuhl runterdrücken. Herrlich. Auch der alte Fahrstuhl, der von einem bedient wird, ist ein Relikt. Lachen mußte ich dann aber doch, als mich der Housekeeper darauf aufmerksam machte, dass mein Zimmer ein ruhiges Zimmer war. Das Hupen und die vielen Fahrzeuge auf der Strasse waren so laut, dass ich fast mein eigenes Wort nicht mehr verstand. Aber was solls? Man kann nicht alles haben und mit Ohrstöpseln geht es für 4 Tage.

Öffentlicher Waschplatz an der Strasse gegenüber vom Broadwayhotel

Herrliche Ecke von Kalkutta, sogar mit Waschplätzen an der Strasse und um die Ecke die U-Bahn, das ist ein Geschenk. So wie ich in BKK immer das Flusstaxi nehme, werde ich mich hier in Kalkutta meist mit der Metro fortbewegen.

Und ich wußte gar nicht mehr, wie freundlich und lustig die Inder sind! Ich stand nach dem Einchecken gleich am Strassenstand und guckte den anderen Indern mal wieder das Essen „vom Teller“ (von der Metallplatte), fragend, was ist denn das? Mix! Wie Mix? Worauf der Standnachbar meinte: probiere es, dann weißt du es. Genau, was ich dann auch tat, es war ein göttliches Gemüsecurry mit Parothas (ein tolles indisches Brot). Und praktisch sind diese Standbesitzer! Faszinierend: alles griffbereit, effektiv angeordnet, ordentlich, und das alles mit den einfachsten Mitteln!

Teig für Chapatis

der kleine Helfer macht eine Art Kartoffelpüee mit den Händen

Lief spätnachmittags die 20 Minuten zum Travellerviertel, um ins Internet zu kommen, weil ich Frank noch den genauen Weg vom Flughafen zum Hotel schicken wollte, aber es gibt hier nirgendwo WIFI, keine Internetcafes, nur 3 uralte, enge Shops. So was hinterwäldnerisches! Irgendwann entdeckte ich einen Laden (2 qm groß) mit 3 Computern und 4 Hockern, und der Inhaber gab mir die Internet-Strippe, die ich dann in meinen Laptop stopfen konnte. Aber ne ganze Stunde wird auf jeden Fall berechnet.

Leider funktionniert die geliehene indische Telefonkarte nicht bei meinem Modemstick. Auch ne neue Erfahrung. Denn das klappt tadellos in Thailand und in Indonesien. Dafür kommen aber die SMS in Deutschland an. Das wiederum ging bei der indonesischen Karte nie – alles schon drollig. Aber Frank kommt ja eh morgen, da brauche ich ja auch kaum noch zu mailen.

Traveller sind hier sehr rar. Während man in Bangkok (und den thailändischen Inseln) überall nur weiße Dösköppe sieht, ist hier alles dunkelbraun. Vielleicht machts auch die Masse. Wichtig ist, hier keine Ängste aufzubauen. Nicht vor vielen Menschen, nicht vor dem Geräuschpegel, nicht vor dem einfachen indischen Leben. Braucht man nämlich nicht. Die Menschen hier sind einfach noch sehr ursprünglich, supernett, neugierig, begegnen einem so offen wie man „in den Wald reinruft“. Was hatte ich gestern Begegnungen! Und viel geguckt und gelacht!

Z. B. gibts da einen Alkoholstore. Der Ausgabe- und Lageraum ist mit einem Gitter vor dem Eingangsraum getrennt. Ich ging rein, bestaunte Wein und Spirituosen und fragte schelmisch: Wer von uns ist denn nun hinter Gittern? Ihr oder wir? Wir lachten uns fast tot. Foto durfte ich keins machen.

Ein Highlight war der Barbetrieb in diesem wunderbar authentisch alten Ambiente abends. Ich war die einzige Frau und beobachtete stundenlang genüßlich relativ schnell wechselnden Männertrupps, die fast alle dem Whiskey zusprachen. Zur Drinkbestellung werden geschälte Gurkenstücke gereicht – sehr gesund und figurbewußt – keine Nüsschen oder Chips! Ich machte ein paar Langzeitbelichtungsfotos, die die Stimmung wiedergeben (siehe Foto), wurde aber von dem Oberaufseher darauf hingewiesen, dass ich hier nicht fotografieren darf.

die Bar im Broadwayhotel

Das Bier ist für Asien sehr günstig, es kostet meist so 120 Rs., das sind ca. 1,80 €, die 650 ml-Flasche. Trinkt aber hier nur selten jemand, macht wohl nicht genug Peng! Was mir noch aufgefallen ist: die Männer unterhalten sich wirklich miteinander und sitzen nicht wie bei uns in der Eckkneipe schweigend vor ihren Bieren.

Nach meiner ersten Nacht im alten britischen Indien ging ich auf die Strasse und trank meinen ersten wunderbaren Chai aus dem Keramiktäschen, welches anschliessend entsorgt wird. Sehr hygienisch. Wurde auch gleich eingeladen. So konnte ich mir noch einen zweiten leisten (Späßchen! Kostet 5 Rs.) und unterhielt mich noch mit den Leuten.

die köstlichen Teebuden

Danach guckte ich beim „Roll“-Lädchen zu, (Imbiss-Spezialität in Kalkutta) wie die Jungs geschickt, Ingwer, Chillies, Knoblauf und Zwiebel schnitten. Interessant war, dass sie sich nicht drum scherten, die Haut oder Schale abzupellen, sondern gleich drauflos schnitten. Und das nächste war, dass man auf einem länglichen Holzbrikett schneidet- sehr einleuchtend, da hat man das Geschnittene nicht auf dem Brett (wie bei uns) rumfliegen, sondern es liegt gleich 5 cm tiefer und behindert den Schneidenden nicht. Damit ihr wißt, wie ich das meine, hier ein Foto dazu. Ich werde meine Cateringküche auf Zweckmäßigkeit mal gründlich überdenken müssen.

Mein Gott, was man hier alles erlebt! Ich könnte Bücher schreiben. Ich besuchte den für Kalkutta wichtigen Kalitempel und bekam mit, wie man Ziegen opferte. Viel Betrieb um den Tempel herum mit herrlichen Verkaufsständchen.

am Kali-Tempel

Da ich mich ja sehr für alles ums Kochen interessiere, war ich danach echt Bengalesich (die Gegend um Kalkutta) essen. Sie verwenden Senf(körner) bei ihren Curries – göttlich! Auch das wird demnächst in ein Rezept meiner Küche fusioniert.

Nachdem Frank angekommen war, erledigten wir erstmal das wichtigste: wie wir trotz ausgebuchten Schlafabteilen am 20. abends nach Varanasi kommen können. Es gibt eine Touristenquote und deshalb mußten wir zur Easternrailway-Touristoffice fahren. Wir verbrachten die Wartezeit bis wir endlich dran waren mit zwei 75-jährigen Chemitzern, die kaum Englisch sprachen. Ich hatte echt Spaß mit ihnen. Die trauen sich was! Sie waren sogar schon in China! (Aber eigentlich ist es dort eh egal, da spricht auch keiner Englisch!)

Wir bekamen dann auch 2 Betten, Abfahrt 20.35, Ankunft in Varanasi 10.25, das ganze für den Spottpreis von ca. 9 Euro zu zweit! Wir buchten auch gleich die Weiterfahrt am 27.3. nach Agra. Leider akzeptierten sie beim Bezahlen keine Paßkopien, und ich mußte mich wieder mit der Taximaffia rumschlagen, um die Pässe im Hotel zu holen.

Open-Air-Kneipen und Restaurants sind sehr selten, deshalb geht man gerne ins alte Fairlawn, um im grünen Garten ein Bierchen zu trinken. (Dort Wohnen kann man sich als Traveller nicht mehr leisten, es kostet ca. 46 Euro pro Nacht.) Interessant ist da, dass sich die High-Society-Twens Kalkuttas treffen, um Bier zu trinken und sich lautstark und arrogant zu zeigen.

Am nächsten Tag startete unsere Sightseeingtour vor der Haustür am Teestand. Und nachdem wir bei unseren „Freunden“ die wunderbaren mit Paneer und Gemüse gefüllten Rolls (Pfannkuchen) aus der Hand gegessen hatten, zogen wir los. Mit der Metro gings in ein unspektakuläres Bazar-Eck, wo wir uns durch die Gassen treiben ließen. Nicht erwartet haben wir das Red-Light district, was uns in einer Seitenstrasse fast die Augen aus dem Kopf quellen ließ. Nutten im Sarong? Ich konnte es fast nicht glauben und war zuerst nicht sicher. Hier war das Auffällige plötzlich die vielen Frauen auf der Strasse! (In Mumbai war ich mal in einer dafür bekannten Strasse mit männlicher einheimischer Begleitung, dort sah es aber fast so aus wie in Amsterdam.) Und hier in einem dunklen Loch (sprich Kneipe) gab es nur was hochprozentiges und total viele Männer und besonders stark betrunkene, das um ca. 13 Uhr. Den Schnaps, den sie in sich hinein gossen, erinnerte stark an Ethylalkohol.

an der Howrahbridge

Wir liefen zum Hoogly-River und nahmen die Fähre zum Howrah-Bahnhof.Von dort aus liefen wir über die sensationelle Howrah-Brige, am Blumenmarkt vorbei in Richtung Mahatma-Gandhi-Road, wo die nächste Metrostation war. Kilometerweit erlebten wir Gewühl, Verkehr mit unglaublicher Lautstärke und Dichte, in den Seitengassen Bazarenge, aber ein Festival für die Augen. Kalkutta is not a picknick – aber unglaublich toll!

der Blumenmarkt unterhalb der Howrahbridge

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