Die 2. Woche

Heute war mein letzter Tag mit meiner Frauengruppe. Wir hatten einiges fertiggestellt, jetzt müssen sie aktiv werden und schauen, ob sie es verkaufen können. Wir machten auch noch einen theoretischen Teil bzgl. Zielerreichung usw. Ich bekam Küsschen, Geschenke. Maya, die Chefin, Maral, Merchrin und Mazura waren anscheinend ganz zufrieden mit meiner Arbeit.

Heute habe ich erfahren, dass meine „room mate“bis zum 12.10. nach Moskau fährt. Jubel, dann habe ich die Wohnung für mich alleine. Aber ich soll mit niemand im Haus reden, unten im Laden mit den türkischen Mädchen nicht zu freundlich sein, denn die eine könnte bei der Polizei anrufen, wenn sie weiß wo ich wohne usw. Meine Larissa sperrt auch immer 2 x ab, wenn sie in der Wohnung ist und schiebt den Riegel vor – hat sie zu viele amerikanischen Serien gesehen? Alles sehr seltsam hier. Irgendwie habe ich das Gefühl, sie haben noch alle Angst vor der Obrigkeit, ist wohl auch noch wirklich so, dass man das ernst nehmen muss. Sehr sozialistisch alles noch – Lächeln tut hier auch keiner.

Die Sekretärin Dunja lud uns über Mittag zu einem Familienfest ein. Ein neues Kind, ein neues Haus, das wird gefeiert. Das war ein traditioneller Haushalt. Die Männer saßen im Innenhof an Tischen, die Frauen in 3 Zimmern verteilt auf dem Boden. Schuhe aus und los ging es mit einer sehr seltsamen Suppe aus Brotstückchen, Graupen oder Reis und einem starken Hammelgeschmack. Ich probierte nur bei Dunja, war nicht mein Geschmack. Dann folgte ein Pilaw (Reis und Gemüse) mit Hammelstückchen. Dazu gab es diverse Rohkost (frische Lauchzwiebeln, Radieschen, Tomaten, Gurken, viel frischer Dill und den herrlich würzigen Basilikum, den ich zwischen Thai- und normalem Basilikum ansiedeln würde. Rote Beete in zwei Varianten, geraspelte Möhren mit einem exotischen Gewürz angemacht – diesen frischen Kram mag ich sehr. Danach kam zu meiner Überraschung noch einmal eine Art Suppe, geröstete Haferflockensuppe, da kommen ganz frühkindliche Erinnerungen auf. Das aß ich aber auch nicht, probierte nur. Süßes Gebäck und Tee schlossen das Menü ab. Zwischendurch griff eine Mamma in eine Plastiktüte und warf eine Handvoll kleines Plastikspielzeug über uns. Dieser Brauch macht mich wahnsinnig, denn für vieles ist kein Geld da, aber für solch einen Schwachsinn. (Z. B. hatte unsere tolle junge Schneiderin weder Stecknadeln noch eine große Schere, schon gar nicht farbiges Garn.)

Kleines Intermezzo (manchmal kann ich es nicht lassen, richtig deutsch zu sein):

Die Schuhe wurden kreuz und quer im Vorraum abgestreift. Der junge Mann, der bediente, musste also jedes mal, wenn er von draußen aus dem Hof Essen oder Tee rein brachte, seine Schlappen ausziehen, tanzte zwischen den ganzen Schuhen mit seinem beladenen Tablett durch, kam zurück, suchte seine Schuhe und ging wieder raus. Jedes mal waren die Schuhe anders durcheinander gewürfelt, da die Damen auch immer rein- und raus gingen. Irgendwann konnte ich diese „Quälerei“ nicht mehr mit angucken, stand auf, stellte die passenden Paare, die den Weg versperrender Reihe nach an der Wand auf, so dass der Junge jetzt ungehindert durchkam. Dass sie mein Tun anstarrten wie betäubt, ist euch klar, oder? (Maya, meine Chefin grinste über alle vier Backen, sie liebt das deutsche Organisieren und Aufräumen).

Nachmittags fuhren wir zu der Schule, in der ich ab Donnerstag die „disabled persons“ unterrichten soll. Es war in einem Nebenraum der Schule, der sich als Kraftraum erwies, wo diese Jugendlichen trainieren, auch für internationale Wettbewerbe. Wie bewunderte ich das Engagement der Trainer, die das hier (unter diesen Bedingungen) machen!

Ich fragte Maya voller Panik, das ich mir nicht vorstellen kann, dass die Jungs Perlenketten friemeln – was denn mit Holz wäre. Sie fragte Mr. Spartakus (einen jungen Kerl mit Beinprothese, der 80 kg + Stange hob), ob er eine Adresse hätte, und wir stiegen ins Taxi.

Am Rande der Stadt fanden wir endlich das, was ich schon die ganze Zeit suchte, eine Schreinerei. Vor der Tür entdeckte ich schon ein schönes Stück unbearbeitetes Holz, hob es auf, und wir gingen rein. Maya erklärte das mit der Behindertenarbeit und dem Holz, aber die Antwort war – den Direktor fragen in der Fabrik“, 100 m weiter. Mein Stück Holz durfte ich behalten. Wieder typisch, dachte ich. Ich irrte aber diesmal. Sie riefen uns zurück und ich durfte unter den großen Sägen nach Reststücken wühlen. Mit 2 Plastiktüten zogen wir glücklich ab. Nun hab ich auch was für die Jungen zum Anmalen – nur noch kein Bearbeitungswerkzeug.

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