Weitere allgemeine Eindrücke von Ashgabat/Turkmenistan

Ernste Gesichter begegnen einem überall, ich errege Aufsehen mit meinem Lachen im Gesicht. Sie zeigen keine Regung, weder positiv, noch negativ. Gehe ich normal ernst über die Straße, wird man auch nicht wahrgenommen, obwohl es hier fast keine Ausländer gibt. Was ja auch gut ist, niemand macht einem an, keiner glotzt sexistisch. Very safe here.

Selbst als eben eine alte verwirrte Frau im Bus ihr Brot in Stückchen aus dem Fenster warf, danach ein Stück Steinfliese in den Mund steckte und ich betrübt guckte, nahmen die anderen keinerlei Anteil an der Situation. Niemand sprach mit dem verwirrten Mütterchen. Die Menschen hier haben wohl gelernt, dass es besser ist, nichts wahrzunehmen und nicht zu reagieren, wie traurig. Dieser Scheiß-Ostblock. Diese brauchen noch Jahre, bis sie wieder Mensch werden.

Wir sind ja auch nicht die schönsten Menschen in Deutschland, aber diese hässliche Russenvielfalt. Ganz erstaunlich. Sitze manchmal im Bus und denke, ich bin im Horrorkabinett. Die Turkmenen sind durch die Reihe gutaussehender, da ist ein dunkler Volksstamm zu erkennen. Dick sind sie alle nicht, sehr schlank und schmal gebaut – ganz erstaunlich bei den ganzen Mayonnaisesalaten und dem vielen Brot.

Jetzt weiß ich auch, warum der Muezzin sich so zurückhält – er hat Nachwuchsprobleme. Keiner will mehr in der Moschee „arbeiten“ – wie Maya mir erzählte.

Tja, in Turkmenistan wird ordentlich getrunken (und es darf in allen Kneipen geraucht werden, nur nicht auf der Straße). Zuerst Pivo, dann Wodka. Der Wodka kostet pro 1/2 l Flasche von einem Euro an aufwärts. Das 0,4 Bier kostet noch keinen Euro in der Kneipe. Dass Sprit nur ca. 20 Cent pro Liter kostet, ist schon bekannt, oder? Ein gebrauchtes Auto kostet ca. 3000 USD. Ein Auto ist ein Statussymbol. Und die Fahrer beschleunigen wie die Großen auf den breiten Straßen und bremsen dann wieder total runter. Alle Reifen quietschen, ob wegen Bremsen, ob wegen Reifen oder Asphalt ist wohl Bubenwissen.

Auch schön war: als ich einmal kurz einen Ausschnitt im Fernsehen sah mit Big Boss Zahnarzt und Delegation , er erzählte, alle schrieben mit – und jetzt kommts: im Stehen !!!! Das sah vielleicht aus, ich kriegte mich nicht mehr ein.

Man geht irgendwo entlang, will den Bus nehmen – Niet. Kein Bus, kein Taxi, überall Polizisten, die böse gucken. Die Straße ist im Umkreis von ca. einem km gesperrt, wenn Big Boss oder ähnliche Kandidaten irgendwo rausfahren wollen. Pech fürs Volk, das muss dann laufen oder 3 x ums Gebäude laufen.

Ich dachte anfangs, dass es Polizisten sind, die sich an jeder großen Kreuzung unterm Baum verstecken und alles beobachten. Nun weiß ich es besser, es sind arme Jungs von dem 2-jährigen Armeedienst, die da täglich ihre 7 Stunden stehen müssen.

Ich muss mir ja immer Brücken bauen, um Namen, Wörter und Orte zu merken.

Das Wort „danke“kommt mir da sehr entgegen. Das heißt auf Turkmenisch: Sack Bull und auf Russisch: its possible. Ein Junge heisst Nazar (!), Pivo kennt man noch aus Jugoslawien. Vinaigrette ist zwar eine Sauce, aber hier die einzige Art Salat, die man im Café bestellen kann. Mehr Russisch (oder Turkmenisch) kann ich mir eh nur sekundenlang merken.

Übrigens sieht man hier Computer überall stehen, nur funktioniert kein Internet. Die haben bis auf Ausnahmen noch keine privaten Anschlüsse. Auch Maya muss immer ins Internetcafé fahren – 1 Std. kostet 1,5 €.

Eine weiter Besonderheit ist das massenhafte Aufkommen von Direktoren. Jeder Chef einer noch so kleinen Klitsche heißt Direktor.

Noch schlimmer verhält es sich mit den Direktoren großer Firmen, staatlicher und privater Bildungsorganisationen – sie sind alle sehr wichtig und erlauben sich alles, besonders, Termine nicht einzuhalten. Sie sitzen vor großen Schreibtischen, man darf aber nicht in die Ecken gucken, die sind genauso dreckig wie in kleinen Firmen, und die Waschbecken fließen auch nicht ab.

Stellt euch vor, sie ärgern sich nach jeden Kochen, dass das Spülwasser nicht richtig abfließt, aber sie ändern daran jahrelang nichts. Ich hätte schon längst jemand bestellt auf meine Kosten, der das richtet, nur damit ich mich nicht mehr darüber ärgern muss. Ist das deutsch??? Aber ich will nicht ungerecht sein – ich beobachte ja nur und kenne keine Internas.

Aber mittlerweile macht mich das verrückt, dieses gleichgültige Hinnehmen allen Unbills. Auch die Freud- und Energielosigkeit. Leider kann ich mich darüber nicht unterhalten. Es ist keine Sprache da – ich denke, auch Maya sieht das nicht, obwohl sie schon in Europa war.

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